18.07.2013
Ein weiträumiger Stromausfall hat am Mittwochnachmittag Halberstadt nahezu lahmgelegt. Betroffen waren auch die Leitstelle und der Notruf 112. Erschwert wurde die Arbeit der Retter aufgrund zweier Brände in Halberstadt und Langenstein. Die Suche nach der Ursache des Stromausfalls lief in den Abendstunden noch.
Plötzlich knallen die Brandschutztüren zu, Schutzhauben sichern die Kopierer, es piepst und heult in allen Tonlagen – Großalarm im Landratsamt. Wenig später rasen bereits Feuerwehrfahrzeuge auf den Hof in der Friedrich-Ebert-Straße. Zum Glück brennt es nicht wirklich. Ein massiver Stromausfall hat Punkt 13.10 Uhr die Brandmeldeanlage ausgelöst und alle Sicherungsfunktionen aktiviert. Bis auf den Schreck, der den plötzlich eingeschlossenen Mitarbeitern in die Glieder fährt, passiert den Verwaltungsangestellten nichts.
In der Rettungsleitstelle, die ebenfalls in der Kreisverwaltung untergebracht ist, sind die Folgen gravierender. Zwar springt das Notstromaggregat an, um die Arbeit nahtlos fortzusetzen. Allerdings habe die unterbrechungsfreie Stromversorgung nicht so funktioniert wie sie sollte, berichtet Leitstellen-Chef Kai-Uwe Lohse. “Normalerweise soll diese Technik Spannungsschwankungen ausgleichen und unsere sensible Technik vor Abstürzen bewahren”, erläutert der Kreisbrandmeister.
Gestern aber habe genau dies nicht funktioniert. Stattdessen brechen die Systeme immer wieder zusammen. Die Folge ist eklatant: Der Notruf 112 fällt ebenso aus wie die Amtsnummer der Leitstelle.
Die erfahrenen Einsatzkräfte reagieren rasch. Über Radio und Internet werden die Bürger informiert, dass sie statt der 112 in medizinischen Notfällen und bei Feuer vorerst die 110 wählen sollen. Über Stunden ist die Leitstelle auf Polizeiunterstützung angewiesen. “Es war zum Glück kein riesiger Ansturm an Notrufen”, sagt die leitende Einsatzbeamtin Anja Hempel vom Polizeirevier Harz. “Wir haben die Anrufer über das Mobilfunknetz mit der Leitstelle verbunden.”
Die Mobiltelefone hatten gestern ab 13 Uhr in Halberstadt ohnehin Hochkonjunktur. Weil auch viele Festnetzanschlüsse heute über Internet sowie Router und Verteilanlagen laufen und diese wegen des Stromausfalls nicht funktionieren, geht oftmals nichts mehr.
Auch die Feuerwehr muss immer wieder auf die Mobiltelefone zurückgreifen, um ihre Einsatzkräfte zu koordinieren. In der Feuerwache Am Breiten Tor ist der Strom ebenfalls weg, der Funk funkt nicht. “Im Notfall hätten wir uns ins Auto setzen und die Kameraden persönlich informieren müssen”, sagt Thomas Dittmer, Chef der freiwilligen Wehr in Halberstadt.
Und just am Mittwochnachmittag kommt es ganz dicke: Zum allgemeinen Chaos kommen noch zwei Brände. Um 14.23 Uhr werden die Feuerwehren aus Langensteiner, Ströbeck und Halberstadt zu einem Waldbrand gerufen. Ein Anwohner hat im Wald oberhalb des Schützenhauses Rauch bemerkt und den Notruf gewählt. Weil der gestört ist, informiert der Mann die Feuerwehrleute aus dem Ort direkt. Und die schlagen via Sirene und Mobilfunk Alarm.
Vor Ort müssen sie sich zum schwer zugänglichen, rund 50 Quadratmeter großen Brandherd im Waldgebiet vorkämpfen und fast 400 Meter Schlauchleitungen auslegen. 23 Kameraden kämpfen bis in die späten Abendstunden gegen die Flammen, die Ursache ist laut Polizei unklar.
Minuten später – kurz vor 15 Uhr – der nächste Einsatz in der Lieberkühnstraße in Halberstadt. Dort hätten vier Kinder einen Benzinkanister gefunden und gekokelt, so ein Polizeisprecher. Ein zwölfjähriger Junge kommt verletzt in die Klinik, ein Gartenhäuschen wird beschädigt.
In den Leitstellen von Polizei und Rettungsdienst ging der Kampf gegen die technischen Probleme gestern Abend weiter. Wegen der Spannungsschwankungen und der Defekte im Notstromsystem bat Kreisbrandmeister Lohse das Technische Hilfswerk (THW) mit ihren Notstromgeräten um Unterstützung. “Wir wollen die Stromversorgung zunächst eigenständig sicherstellen”, so der Leitstellen-Chef.
Und all das wegen eines Kabelfehlers, nach dem am Abend immer noch gesucht wurde. Gegen 13.10 Uhr habe es mehrere Erdschlüsse im Mittelspannungsnetz gegeben, hieß es von den Halberstadtwerken. Betroffen waren das Gewerbegebiet Sülzegraben, der Bereich Quedlinburger Landstraße, Landgraben und Spielmannstraße bis hin zum Ameos-Klinikum. Nach Umschaltungen seien 14.44 Uhr alle Kunden wieder am Netz gewesen. Die Suche nach den genauen Fehlerstellen lief in den Abendstunden noch.
Die Wehrleute Ricardo Geisler und Steffen Jung (r.) kämpften zusammen mit den Kameraden aus Langenstein, Halberstadt und Ströbeck im Wald von Langenstein gegen die Flammen.