18.10.2014
von Gerald Eggert
Regelmäßige Einsatzübungen der Feuerwehren aus Halberstadt und den Ortsteilen sollen dazu beitragen, erworbene Kenntnisse in Theorie und Praxis zu festigen. Das ist vor allem notwendig, um im Ernstfall problemlos zusammenzuwirken und alle Einsatzmittel zu beherrschen.
Passanten wurden neugierig, weil die Tore des ehemaligen Gefängnisses in der Gerichtsstraße offenstanden, mehrere Feuerwehrfahrzeuge in den Vorhof rollten Einsatzkräfte Schläuche legten und Männer in Schutzkleidung das alte Gebäude betraten. Aus Fenstern des zweiten Obergeschosses quoll Rauch. “Es brennt nicht”, beruhigte Sebastian Rindert die Passanten, “wir üben hier das Zusammenspiel der Einsatzkräfte beim Löschen eines Brandes, beim Absuchen von Räumen unter Atemschutz und der Bergung von Personen.”
In zwei Etappen rückten freiwillige Feuerwehren aus Halberstadt sowie den Ortsteilen Aspenstedt, Athenstedt, Klein Quenstedt, Langenstein und Sargstedt zur mehrstündigen Übung an. Einsatzleiter Sebastian Rindert erläuterte den Gruppen die Gefahrenlage, machte sie auf die erschwerten
Bedingungen in dem über 100 Jahre alten Gebäude aufmerksam, das bis 2010 als Gefängnis genutzt wurde und seitdem leersteht.
Vom Land wurde die verwaiste Immobilie für die Übung freigegeben. “Wir können einen großen Teil nutzen. Einige Bereiche sind abgesperrt, weil wir sonst mindestens die doppelte Anzahl Leute reinschicken müssten“, sagte der Einsatzleiter, “die Brandbekämpfung sowie die Personensuche und -bergung beschränken sich auf rund 80 Räume in der ehemaligen Verwaltung und in dem Teil, der als Frauengefängnis genutzt wurde. ” Auch wenn es sich um eine Übung handele, sei zügiges und sicheres Entscheiden und Handeln wichtig, gab der Hauptbrandmeister allen mit auf den Weg.
Bevor die Feuerwehrleute sich aufmachten, wurden die Gruppenführer eingewiesen. Im zweiten Durchgang waren es Elke Nose und Alexander
Rößling aus Klein Quenstedt sowie Michael Wissel aus Athenstedt, der die Funktion des Zugführers übernahm. Sie besprachen kurz die Aufgaben: “Der Schlauchtrupp richtet die Wasserversorgung aus den eigenen Tanks ein, verlegt die Schläuche und begibt sich anschließend auf die Suche nach Verletzten; der Angriffstrupp kontrolliert die Bereiche die nur mit Atemschutzgeräten betreten werden können und geht mit dem Wasserstrahlrohr vor”.
Die knappen Anweisungen verstand jeder. Schläuche wurden ausgerollt, Verteiler gesetzt, Funkgeräte überprüft, vier Kameraden streiften die
Schutzausrüstung über. Im Gebäude trennten sich die Wege der Trupps. Der eine übernahm den Bereich, wo “das Feuer wütete”, der andere nahm sich Raum für Raum vor und sorgte mit Bändern für eine eindeutige und unmissverständliche Kennzeichnung der abgesuchten Bereiche.
Im vierten Obergeschoss wurden drei Verletzte gefunden. Dabei handelte es sich um Lina Kurkowski und die Geschwister Antonia und Florian Rindert aus Langenstein, die nicht zum ersten Mal solche Rolle bei Übungen übernahmen. Während sich zwei von ihnen mithilfe der Retter selbst fortbewegen konnten, musste Lina Kurkowski mit der Trage aus dem Haus geschafft werden. Das erwies sich als schwierig, weil nicht nur die
Räume und Gänge eng sind, sondern die Treppenaufgänge schmaler, als man sie anderen Ortes kennt. Im anderen Gebäudeteil wurden zwei weitere Verletzte entdeckt und ins Freie geschafft.
“Eine Drehleiter für den zweiten Rettungsweg konnten wir diesmal nicht einsetzen”, sagte Hauptbrandmeister Rindert, “wir hätten Gitterstäbe rausflexen müssen. Das wurde nicht genehmigt. Deshalb mussten die erschwerten Bedingungen bei der Verletztenbergung in Kauf genommen werden. Auch Wasser durfte im Gebäude nicht verspritzt werden. Einen Wasserstrahl aus einem der Südfenster wollte ich jedoch sehen.” Zugführer Michael Wissel meldete beim Einsatzleiter den Vollzug und gab anschließend Anweisung, die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen.
Kurz nach dem Mittag endete die Übung mit einer Auswertung. Sebastian Rindert dankte für Einsatz und Disziplin während der Übung und vergaß
nicht, die Derenburger Kameraden zu erwähnen, die mit ihrer Nebelmaschine vor Ort waren. “Wir haben gemerkt, wo es noch Schwachstellen gibt”, bemerkte er, “darum gibt es regelmäßig Ausbildungen und Einsatzübungen. Wir wollen feststellen, wo Handlungsbedarf ist. Nur so können wir bestens gewappnet im Ernstfall vorgehen. Denn da muss alles wie am Schnürchen ablaufen.”
“Einsatz- und Evakuierungspläne für größere Objekte wie Krankenhäuser und Verwaltungen gab es schon immer”, sagte der ehrenamtliche
Stadtwehrleiter Harald Böer als Beobachter der Übung, “auch zu DDR-Zeiten wurde mit der hauptberuflichen und der freiwilligen Feuerwehr regelmäßig im Gefängnis geübt, damals wurde es allerdings noch als solches genutzt.”
Während ein Teil der übenden Kameraden am alten Gefängnis beschäftigt war, fand für die anderen auf dem Hof der Feuerwache in Halberstadt
ein Techniktraining statt. Das ist vor allem wichtig für die Mitglieder der Ortswehren, weil sie mit· Geräten vertraut gemacht werden, die sie meist
nicht in ihrem Bestand haben, im Einsatz aber durchaus bedienen müssen.
Quelle: Volksstimme Fotos: Gerald Eggert
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