11.07.2003
97 Prozent aller Deutschen und 95 Prozent aller Europäer haben ein “sehr hohes” bzw. “ziemlich hohes” Vertrauen zur Feuerwehr. Das ergab eine Umfrage des Verlags- und Direktmarketingunternehmens Reader’s Digest, die in 18 Ländern Europas durchgeführt wurde.
Krankenschwestern und Piloten landeten auf den Plätzen 2 und 3. Wir, die Angehörigen der Feuerwehr, können überaus stolz sein auf die positive Aussage der Umfrage, allerdings bin ich mir eher unsicher, ob wir diesem Vertrauen immer und vor allem in Zukunft gerecht werden. Auf der einen Seite sind von den 48 Feuerwehren unseres Landkreises nur 12, das entspricht 25 Prozent, rund um die Uhr einsatzbereit. Selbst bei diesen 12 bin ich mir nicht sicher, ob die verantwortlichen Wehrleiter bei dem Begriff “Einsatzbereitschaft” auch klar wissen, worüber gesprochen wird.
In der Ausgabe der Volksstimme vom 1. Juli wurde über eine Feuerwehrübung in Wülperode berichtet. Ich habe große Achtung davor, wie der Kreisbrandmeister Kenzig die Probleme dargestellt hat. Um einen einfachen Wohnungsbrand zu löschen, müssen fünf Feuerwehren alarmiert werden. Nicht ausreichende Atemschutzgeräteträger für die Menschenrettung und die Brandbekämpfung stellten den Erfolg des Einsatzes in Frage. Richtig eingeschätzt wurde, dass nach 20 Minuten bis zum Wirksamwerden der Löschmaßnahmen das bei jedem Brand vorhandene Kohlenmonoxid seine lebensbedrohende Wirkung erzielt hätte. Nach dieser Zeit wäre die Brandausbreitung so weit fortgeschritten, dass ein Löscherfolg nur noch mit großem Aufwand erreicht werden könnte. Was letztlich mit einem Totalverlust des Gebäudes gleichzusetzen ist. Auf der anderen Seite wurden und werden Gelder für technische Ausstattungen ausgegeben, nur weil von der Feuerwehr angemahnt wird, dass sie ohne diese Technik nicht auskommen kann. So manche Feuerwehr musste unbedingt mit den teuren Rettungsgeräten “Schere und Spreizer” ausgerüstet werden, obwohl nur wenige Kilometer entfernt eine größere, rund um die Uhr einsatzbereite Feuerwehr diese Technik bereits vorhält und wegen der Erfahrungen auch sicherer einsetzen kann. Es ist natürlich wirkungsvoll, wenn zum Tag der offenen Tür ein Pkw mit diesem Gerät zerlegt wird. Aber muss es denn ausgerechnet ein mehrere tausend Euro teures Rettungsgerät für solche Spielereien sein? Bedenkt man, dass allein im Landkreis Halberstadt über 20 Feuerwehrfahrzeuge mehr vorhanden sind, als es die Ausrüstungsnorm vorschreibt, und diese dann entsprechende Kosten verursacht haben und verursachen, ist die Frage nach dem verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln durchaus berechtigt. Immer wieder liest man von feierlichen Übergaben von Fahrzeugen. Noch bis zur Wende wurde in so mancher Ortschaft der Grundschutz mit einem Tragkraftspritzenanhänger und organisiertem Vorspanndienst sicher gestellt. Heute muss es ein bis zu 250.000 Euro teures Löschfahrzeug mit allen möglichen Finessen sein. Vergessen wird dabei aber leider, dass dieses Fahrzeug gar nicht normgerecht besetzt werden kann und damit auch mit diesem Superauto der klar definierte gesetzliche Auftrag nicht erfüllt wird. Wieviel Verständnis und Vertrauen werden wir wohl bei der Lokalpolitik und letztendlich bei unseren Bürgern (Kunden) haben, wenn nicht klar erkannt wird, dass auch Brandschutz nicht in einem Geld freien Raum erbracht werden kann. Hut ab, vor den gerade kleineren Feuerwehren, die mangels Einsatzzahlen ihre Existenz mit Bürgernähe und als Kulturträger begründen. In der Gemeinde ist es nicht möglich, auf das Produkt Feuerschutz zu verzichten, aber das Ansehen und damit das Vertrauen wird Schaden nehmen, wenn das Produkt nicht die Erwartungen der Bürger erfüllt. Es ist dringend geboten, die kommunalen und kulturellen Feuerwehraufgaben zu trennen. Hier ist neues Denken gefragt. Feuerwehrvereine ohne “öffentlichen Feuerwehr-Auftrag” können weiter als Kulturträger ihres Ortes tätig sein. Die übrigen Einheiten, mit “öffentlichem Feuerwehr-Auftrag” erfüllen die an die Feuerwehr gestellten Aufgaben und Ansprüche. In der o. g. Ausgabe der Volksstimme wurde berichtet, dass die Ortsfeuerwehren in der Gemeinde Huy darüber nachdenken, eigene Feuerwehr Fördervereine zu gründen. Das halte ich für einen gangbaren Weg, um über die Vereinsarbeit eine Trennung von öffentlichen und kulturellen Feuerwehraufgaben zu erreichen. Das Vertrauen, dass unsere Vorgänger und auch wir erarbeitet haben, verlangt von uns allen, damit verantwortungsvoll umzugehen und es nicht durch Ignoranz zu untergraben.
Ich wünsche mir, dass es auch noch in der Zukunft positiv klingt, wenn die Bevölkerung von “ihrer Feuerwehr” spricht. Diese Tradition verpflichtet genauso wie der Sinnspruch: “Einer für alle – alle für Einen”.
Harald Böer,
Stadtwehrleiter der Feuerwehr Halberstadt