Er trinkt seinen Kaffee schwarz. Ohne Schnickschnack.
Passt zu dem 50-Jährigen, der seit dem Nikolaustag in die Fußstapfen von Jörg Kelle tritt. Der langjährige Feuerwehrchef ist in Altersteilzeit gegangen. Weshalb Ingo Wetzel zwar Kelles Tätigkeit als Abteilungsleiter übernimmt, aber vorerst noch kommissarisch.
Wetzel weiß, worauf er sich einlässt, schließlich hat er als Stellvertreter Kelles viel vom Arbeitsalltag des Abteilungsleiters kennengelernt. Auch die Büroarbeit, die ihm, wie Wetzel zugibt, nicht ganz so liegt. Er ist lieber einer, der zupackt. Und auch als Einsatzleiter mal ein Strahlrohr in die Hand nimmt, wenn es erforderlich ist.
„Wenn man sich für diese Laufbahn entschieden hat, gehören Verwaltungsaufgaben dazu“, sagt der in Halberstadt geborene und aufgewachsene Feuerwehrchef. Er ist Pragmatiker, nimmt die Dinge, wie sie sind, sucht Lösungen, beharrlich, mit langem Atem. Den hat er schon in jungen Jahren bewiesen. Denn dass er Feuerwehrmann werden will, das steht für ihn seit seinem siebenten Lebensjahr fest. Eine Zufallsbegegnung hat ihn in diese Richtung geschickt, berichtet der Vater dreier Söhne. Er wurde Zeuge eines Feuerwehreinsatzes, sah fasziniert zu, wie routiniert die Feuerwehrleute arbeiteten, war beeindruckt von der Technik. Er fragte, was er denn in der Schule machen muss, damit er zu Feuerwehr kommen kann.
Die Antwort des Kameraden habe seine Mutter weniger gefreut, berichtet Wetzel schmunzelnd. Wenn er immer gut lerne, alles Zweien habe, könne er Feuerwehrmann werden. Was er seiner Mutter stolz erzählt habe, samt dem Hinweis, er müsse dann ja nicht mehr ganz so viel machen für die Schule. Was die Mutter als Lehrerin wohl anders sah. „Aber seitdem stand mein Berufswunsch fest. Klingt vielleicht kitschig, aber ich habe mir tatsächlich meinen Kindheitstraum erfüllt“, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker. Denn auch zu DDR-Zeiten galt die Regel: Handwerksberuf, dann Feuerwehrausbildung.
Angefangen, seinen Traum zu verwirklichen, hat Wetzel schon in der Schule. Er drängelte so lange, bis es auch an seiner Schule eine Arbeitsgemeinschaft Junge Brandschutzhelfer gab. Was für Fünft- und Sechstklässler spannend war, wollte mancher Jugendlicher als Achtklässler nicht mehr, weshalb die Arbeitsgemeinschaft einschlief. Also ging Ingo Wetzel zur freiwilligen Feuerwehr, um dort zu erfahren, dass er erst mit 16 mitmachen durfte. „Ich war 14. Eine Kinder- oder Jugendfeuerwehr gab es damals nicht“, erinnert er sich.
Er fragte auch bei der Wache, dort gab es die gleiche Antwort: Erst mit 16. Mit 15 ging Wetzel wieder fragen. Seine Beharrlichkeit zahlte sich aus. Er schloss einen Bewerbervertrag mit der Polizei, der die Feuerwehr damals zugeordnet war, erfuhr, dass er einen Beruf erlernen und seinen Wehrdienst geleistet haben musste, bevor er seine Laufbahn bei der Feuerwehr starten könne. Also lernte er beim VEB Kraftverkehr Halberstadt Kfz-Schlosser für Nutzfahrzeuge und arbeitete natürlich in der Betriebsfeuerwehr mit. „Ich war von Anfang an ehrlich und hab‘ im Betrieb immer gesagt, dass ich nicht bleiben will“, sagt Wetzel.
Sein Ziel war schließlich, Feuerwehrmann zu sein, hauptberuflich.
Deshalb verpflichtete er sich für drei Jahre zur Armee, so war er sicher, mit 18 Jahren zum Wehrdienst gezogen zu werden. Das war Ende 1987. Im Januar 1990 hatte er zwei der drei Jahre rum, und alles war anders geworden. Er profitierte von einem neuen Gesetz, wurde im Januar 1990 entlassen. „Und dann gab es für mich kein Halten mehr.“ Aber es war alles anders, niemand wusste so recht, was die Zukunft bringen würde. „Es hieß damals, die Berufsfeuerwehr wird aufgelöst.“ Für Ingo Wetzel brach eine Welt zusammen.
Aber dank seines Vorvertrages und des Einsatzes von Reinhard Kelle wurde er doch eingestellt – am 1. März 1990. „Seitdem bin ich hier“, sagt er, wobei das Hier durchaus monatelange Abwesenheit bedeutete. Viele Ausbildungseinheiten fanden bei der Berufsfeuerwehr Wolfsburg statt, andere im Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge, wieder andere führten den Familienvater nach Berlin. Und weil er dahin wollte, wo viel los ist, war sein Einsatzgebiet Kreuzberg. Die Einsatzfrequenz in einer Großstadt ist eine andere, die Mentalität der Menschen auch, sagt Wetzel. „Aber was man als Feuerwehrmann tun muss, unterscheidet sich nicht von dem in einer Kleinstadt.“
2006 entschloss sich Wetzel, doch den Weg in den gehobenen Dienst zu gehen. Ausschreibung, Auswahlverfahren, Vorbereitungskurse, Aufstiegskurs, Praktika in Wolfsburg und Berlin. Aber eins war für ihn immer klar: Er will in Halberstadt bleiben. Als Harald Böer 2012 als Feuerwehrchef verabschiedet wurde und Jörg Kelle die Aufgaben übernahm rückte Wetzel als Stellvertreter nach und als Kelles Abschied absehbar wurde, erklärte sich Wetzel bereit, die Verantwortung für die Halberstädter Wehr zu übernehmen. Die weist eine Besonderheit auf. Halberstadt hat keine Berufsfeuerwehr, die wurde tatsächlich abgeschafft. Aber die Freiwillige Feuerwehr Halberstadt hat hauptberufliche Kräfte, die rund um die Uhr einsatzbereit sind. „Im Arbeitsalltag macht das keinen Unterschied zu einer Berufswehr, allerdings sind die Aufstiegsmöglichkeiten beschränkter“, sagt Wetzel, der auch Angebote hatte, zur Flughafenfeuerwehr nach Frankfurt/Main oder zur Berufswehr nach Wolfsburg zu wechseln. Aber er ist Halberstädter mit Leib und Seele. Seinen Sachbereich Technik betreut er noch parallel. Viel zu tun ist immer, ohne den Rückhalt seiner Familie hätte er diesen Weg nicht gehen können. Das weiß Ingo Wetzel, der in diesem Jahr mit seiner Frau 25 Jahre verheiratet ist. „Ich bin wirklich dankbar, meine Frau hält mir immer den Rücken frei.“
Das wird wohl auch weiterhin erforderlich sein. Wetzel sieht „einige Baustellen, für die Lösungen gefunden werden müssen“. Die Frage der Nachwuchsgewinnung ist eine, eine andere, wie künftig überhaupt Brandschutz organisiert werden kann. Angesichts sinkender Bereitschaft in der Gesellschaft, sich ehrenamtlich in den Wehren zu engagieren eine ziemlich große Baustelle.
Text/Bild: Sabine Scholz / Halberstädter Volksstimme